Schmerzen beim Sex?

Gründe und Erkrankungen,

die mit Schmerzen beim Sex in Zusammenhang stehen können.

Sexualität soll keinen (ungewollten*) Schmerz verursachen. Doch leider ist Schmerz beim Sex nicht selten. Laut Befragungen hat die Hälfte der Frauen im vorangegangenen Monat Schmerzen oder Unbehagen bei sexueller Aktivität erlebt (Elmerstig et al., 2009). Nur weil es häufig vorkommt, heißt das jedoch nicht, dass es ertragen werden muss! Schmerzen sind ernst zu nehmen und sollten nicht ausgehalten werden. In diesem Artikel soll es darum gehen, wie sich Schmerzen bei Sex äußern können, was mögliche Ursachen dafür sein könnten und wie nächste Schritte aussehen könnten. 

Warum werden Schmerzen oft ertragen oder ausgehalten? 

Frauen berichten oft, dass sie in solchen Situationen weitermachen, Enthusiasmus vortäuschen oder dem:r Partner:in nicht von den Schmerzen berichten. Die häufigsten Gründe dafür sind ein Gefühl von Verantwortung für die sexuellen Bedürfnisse der anderen Person, ein weniger wichtig nehmen der eigenen sexuellen Wünsche und eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Sexleben (Elmerstig et al., 2009). Viele Frauen berichteten in dieser Studie auch, dass dies mit einer Idealvorstellung davon zusammenhängt, was es bedeutet, eine “Frau” zu sein. Dort hat das Erleben von Schmerzen beim Sex keinen Platz. 

Funktion von Schmerz

Schmerz ist ein lebenswichtiges Warnsignal des Körpers, das uns vermittelt, dass irgendetwas nicht stimmt. Wenn man die Hand auf eine heiße Herdplatte legt, reagiert der Körper mit Schmerz, als ein Signal, die Hand schnell wieder runter zu nehmen, damit dem Körper kein Schaden zukommt. Schmerz schützt uns also. Auch in der Sexualität sind Schmerzen Warnsignale des Körpers, die nicht ignoriert oder akzeptiert werden sollten. 

Wie, wo und wann?

Schmerzen beim Sex können in verschiedenen Formen auftreten, zum Beispiel als ein Gefühl des Stechens, Brennens, des Drucks, eines Engegefühls, Wundseins oder in Form von Krämpfen oder einem Ziehen. Schmerz kann auch in verschiedenen Bereichen auftreten, zum Beispiel an der Vulva, am Vaginaleingang oder an verschiedenen Stellen in der Vagina. Schmerzen können auch nur durch bestimmte Berührungen oder Sexualpraktiken und Positionen entstehen oder permanent spürbar sein. Eine Praktik, die oftmals mit Schmerzen verbunden ist, ist die vaginale Penetration. Oftmals ist die Stimulation der Klitorisperle schmerzfrei und lustvoll möglich, jedoch führen Berührungen am Vaginaleingang oder bei der tiefen Penetration zu Schmerzen. Der Ort und die Art der Schmerzen können Indizien für mögliche Ursachen sein.

Welche Gründe gibt es für Schmerzen beim Sex? 

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die zu Schmerzen beim Sex führen können. Im Folgenden gehen wir auf mögliche und verbreitete Gründe ein. Wichtig ist, dass dies keine vollständige Auflistung von Gründen für Schmerzen ist. Es sollte immer im Einzelfall abgeklärt werden, wie die Schmerzen entstehen, seit wann sie existieren und in welchen Situationen. Gründe für Schmerzen beim Sex können bio-psycho-sozial sein und sollten in jedem Fall ärztlich von Gynäkolog:innen abgeklärt werden.

Biologische Ursachen  

Schmerzen können im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen stehen. Darunter fallen auch gynäkologische Erkrankungen. Für den Einfluss verschiedener gynäkologischer Erkrankungen auf die Sexualität und ihre Behandlung haben wir separate Informationen zusammengestellt, diese findest du zeitnah in unserem Glossar. Bei Endometriose kann es beispielsweise zu Schmerzen, bei der tiefen Penetration kommen, bei Vulvodynie an der Vulva oder am Vaginaleingang. Bei Hauterkrankungen wie Lichen Sclerosus kann es ebenfalls zu Schmerzen oder kleinen Rissen an der Vulva und am Vaginaleingang kommen. Auch im Zusammenhang der Behandlung von Krebserkrankungen oder körperlichen Zuständen wie der Menopause oder nach der Schwangerschaft kann es zu Veränderungen kommen, die zu Schmerzen bei der Sexualität führen können. Dies kann mit hormonellen Schwankungen, welche die Vaginalschleimhaut verdünnen und anfälliger für Schmerzen oder Verletzungen machen können, zusammenhängen. Hierbei können  Gleitgele und niedrig dosierte Hormoncremes, die Gynäkolog:innen verschreiben können, unterstützen. Auch bei starker Anspannung oder Verkrampfung des Beckenbodens, wie es bei Vaginismus der Fall ist, kann es zu Schmerzen beim vaginalen Einführen kommen. Hierbei können Beckenboden-Physiotherapeut:innen sehr wirksam sein. Weitere Informationen zu den körperlichen Zuständen hierzu findest du schon ganz bald im Glossar. 

Psychische Ursachen

Auch psychische Faktoren spielen eine Rolle beim Schmerzerleben in der Sexualität. Auch wenn es initial einen körperlichen Auslöser für die Schmerzen gab, beschreiben Betroffene oftmals Angst vor weiteren Schmerzen in zukünftigen sexuellen Begegnungen. Diese negativen Gedanken, was womöglich alles passieren könnte, führen zu Angst. Die Angst führt dann wiederum dazu, dass sexuelle Situationen entweder vermieden oder unter starker Anspannung eingegangen werden. Meist sind dann der gesamte Körper und der Beckenboden angespannt bei gleichzeitiger Aufmerksamkeit auf mögliche Schmerzreize. Diese Kombination führt dann oftmals dazu, dass bei dem Versuch von Penetration auch wirklich erneut Schmerzen erlebt werden, was wiederum die Angst vor zukünftigen Schmerzen beim Sex verstärkt. Es entsteht ein Teufelskreis aus Angst und Vermeidung und es besteht keine Möglichkeit mehr, positive Erfahrungen zu machen.

Ein anderer möglicher psychischer Grund könnte sein, dass du dich nicht ausreichend erregt fühlst und damit dein Körper nicht ausreichend Lubrikation für die sexuelle Stimulation produziert. Dass kann passieren, wenn wir abgelenkt sind, nicht die richtige sexuelle Stimulation erhalten oder nicht ausreichend lang stimuliert werden. Ein weiterer Grund kann sein, dass wir in unseren sexuellen Fantasien etwas anderes erleben als das, was in der Realität passiert. Der Körper braucht ausreichend (mentale und/oder körperliche) sexuelle Stimulation (z.B. an der Klitoris oder an anderen erogenen Zonen), um mit Lubrikation reagieren zu können. Bei Ablenkung oder fehlender Stimmung könnte es helfen andere Praktiken vorzuschlagen, die Lust bereiten, die Umgebung so zu gestalten, dass man sich wohl fühlt und Sex auch einfach abzulehnen, wenn man keine Lust hat. 

Soziale Ursachen  

Auch soziale Einflüsse können das Schmerzerleben beeinflussen und verstärken. Oftmals werden Schmerzen nicht bei der Masturbation, sondern in der Sexualität mit einer anderen Person oder penetrativen Praktiken erlebt. Zusätzliche Stressoren der Paarbeziehung wie Ängste, das Gegenüber nicht befriedigen zu können, Sexualität abbrechen zu müssen oder womöglich die Partnerschaft aufgrund der fehlenden Sexualität zu verlieren, können extrem belastend für Betroffene sein. Dieser entstehende Druck in Partnerschaften kann die körperliche Anspannung während der Sexualität und die negativen Gedanken vor zukünftigen sexuellen Begegnungen nochmal deutlich verstärken und damit den sexuellen Distress erhöhen. Auch kann eine vermeintliche Abweichung von normativen Vorstellungen (= sexuelle Skripte) über Sexualität aus Filmen oder den Berichten von Gleichaltrigen zusätzlich zu einem verstärkten Stresserleben führen. Gleiches gilt auch für Personen, die aktuell nicht in einer Partnerschaft sind. Hier können große Sorgen vor Dating-Situationen bestehen, die dazu führen können, dass Betroffene trotz starkem Beziehungswunsch das Kennenlernen einer Person vermeiden. 

Was tun, wenn Schmerzen erlebt werden? 

Wenn du Schmerzen beim Sex erlebst, sollten diese ernst genommen werden und medizinisch abgeklärt werden. Als Vorbereitung auf eine ärztliche Untersuchung kannst du dir bereits Gedanken zu der Art des Schmerzes, zum Zeitpunkt des Auftretens und zu möglichen Auslösern machen.

💡Hierbei kann dich der Odeya Fragebogen unterstützen!

Relevante Fragen zum Schmerzerleben lauten: Seit wann treten die Schmerzen auf? Gab es einen Auslöser (z.B. einen Sturz, hormonelle Veränderungen, vaginale Entzündungen)? Wo tritt der Schmerz auf (an der Vulva, am Vaginaleingang oder in der Vagina)? Wann tritt der Schmerz auf: Bei welchen Praktiken, Positionen, Berührungen? Wie häufig tritt der Schmerz auf? Zu welchen bio-psycho-sozialen Folgen haben die Schmerzen geführt? Was verschlimmert oder verbessert die Schmerzen? Welche Behandlungsversuche wurden bereits durchgeführt? 

Illustration by Elena Mühle

Ilustration by Elena Mühle

Diese Informationen helfen dir bei der Vorstellung bei Gynäkolog:innen, indem du auf mögliche Fragen vorbereitet bist und du dich mit deiner Symptomatik ernst genommen fühlst.

Was kann ich unmittelbar tun?

Das Sprechen in sexuellen Beziehungen oder Partnerschaften über Schmerzen beim Sex kann zu  unmittelbarer Erleichterung und Verständnis führen. Nur durch das Sprechen über die Schmerzen kann die andere Person angemessen darauf reagieren und dich dann auch in sexuellen Situationen unterstützen. Das kann heißen, nachzufragen, ob bestimmte Berührungen sich so gut anfühlen oder angepasst werden sollten, bestimmte sexuelle Praktiken oder Position eher vermieden werden sollten, oder die Umgebungsbedingungen der Situation und das Tempo zu verändern.

Ein Gespräch über die eigenen Bedürfnisse und Grenzen kann helfen, den Angst-Vermeidungs-Teufelskreis zu durchbrechen. Falls es dir schwer fällt, solche Themen anzusprechen, könnte dir vielleicht unser Artikel zur Kommunikation weiterhelfen. Denn wenn du Sexualität und Intimität aufgrund von Angst vor dem Schmerz vermeidest, wird die Angst vor negativen Erfahrungen aufrechterhalten und du hast keine Möglichkeit, positive Erfahrungen zu machen.

Wie kann ich wieder Lust auf Sexualität entwickeln? 

Nur wenn du sexuelle Situationen so gestaltest, dass sie für dich schmerz- und damit angstfrei sind, können wieder positive sexuelle Erfahrungen gemacht werden, die Lust auf Sexualität machen. Das kann heißen, auf bestimmte schmerzvolle Praktiken zu verzichten, denn Sexualität ist so viel mehr als Penetration und Intimität (zunächst) anders zu leben. Zumindest bis klar ist, woher die Schmerzen kommen und wie sie behandelt werden können, denn ungewollte Schmerzen sollten niemals Teil deiner Sexualität sein und ausgehalten werden. In unserem schon bald frei verfügbaren Minikurs “Sexuellen Distress verstehen” und unserem Artikel “Sexuelles Wohlbefinden steht dir zu” kannst du noch mehr zu diesen Themen lesen. Ein dauerhaftes Schmerzerleben kann außerdem auch dazu führen, dass Schmerzen aufgrund der zentralen Sensitivierung und der Bahnung im Schmerzgedächtnis stärker erlebt werden. Auf solche Aspekte gehen wir in unserem bald verfügbaren Minikurs zu sexuellen Schmerzen weiter ein. 

💡Odeya möchte dich dabei unterstützen, aktiv zu werden, um sexuelle Begegnungen wieder genießen und Intimität erleben zu können!

*Falls du  absichtlich Schmerz in deine Sexualität integrierst, ist es etwas anderes und auch völlig legitim! Hier gehen wir auf ungewollten Schmerz ein, welche hinderlich für den Genuss von Pleasure sein können und nicht auf persönliche Präferenzen, die Pleasure fördern können. 

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Wie du “großartigen” Sex haben kannst?